Wirtschaft lässt sich zwar studieren, aber wohl niemals wirklich verstehen.
Was viele große Denker bereits seit Jahrhunderten ständig wiederholen, freilich in immer wieder aktualisierter Form, lässt sich aktuell mal wieder in den Vereinigten Staaten bestaunen. Denn dort hat ein gerade einmal 28 jähriger Internet-Unternehmer die höchste Vergütung bekommen, die jemals an einen CEO ausgezahlt wurde. Dabei handelt es sich um ein Unternehmen, das tief in den roten Zahlen steckt.
Kann man mit Snapchat Geld verdienen?
Die meisten konventionellen Anleger, die Aktien des Instant-Messaging-Dienstes besitzen, können bei dieser Frage nur müde lächeln, denn bisher schreibt Snapchat nichts als Verluste. Zwar fielen diese im vergangenen Jahr geringer aus, als Experten sowie das Mutterunternehmen Snap Inc. erwartet hatten. Dennoch lässt es sich nicht beschönigen: Der Verlust des Unternehmens lag allein im letzten Quartal 2017 bei 350 Millionen Dollar. Dass sich Evan Spiegel, Gründer und CEO von Snap, dennoch über eine Auszahlung von 637,8 Millionen Dollar für 2017 freuen darf, scheint dem gesunden Menschenverstand komplett zu widersprechen. Vor allem in Anbetracht der Tatsache, dass sein Grundgehalt bei lediglich 98.000 Dollar lag, während sich der Rest seines Einkommens aus aktienbasierten Vergütungskomponenten zusammensetzte. Selbst Fachleute haben ihre liebe Mühe, dieses System zu verstehen: Es ist als belohne eine Fluggesellschaft den Piloten, der sein Flugzeug absichtlich zum Absturz gebracht hat.
Wie geht es nun weiter mit Snapchat?
Offensichtlich haben die Anleger weiterhin Vertrauen in das Erfolgsrezept des Unternehmens, das stark unter dem Konkurrenzdruck des Wettbewerbers Instagram zu leiden hat. Jedenfalls sind massenhafte Verkäufe der Snap-Papiere an den Börsen bisher nicht beobachtet worden. Dennoch ist der Markt äußerst sensibel, wie ein aktuelles Beispiel eindrucksvoll belegt: Nach einem Tweet von Kylie Jenner, Halbschwester des Fernsehsternchens Kim Kardashian, rutschte der Kurs der Snap-Aktie Mitte Februar zeitweise um rund 8 Prozent ab, womit etwa 1,7 Milliarden Dollar vernichtet wurden. Der Inhalt des Tweets war allerdings trivial: In einer rhetorischen Frage teilte Jenner mit, dass sie Snapchat aufgrund des neuen Designs der App nicht mehr nutzen wolle. Bemerkenswert ist, dass dem Statement einer Reality-TV-Teilnehmerin weit mehr Beachtung geschenkt wurde als den zeitgleich veröffentlichten Analysen der Citigroup. Dort rät man seit besagter Neugestaltung der App sogar dazu, die Wertpapiere von Snap zu verkaufen.
Es gibt also genug Arbeit für Evan Spiegel. Nun kann er beweisen, dass er sein Geld wert ist und die Maschine wieder auf Kurs bringen kann – um noch einmal die Metapher mit dem Flugzeug zu bemühen.
MR. GOODLIFE